Bahnbrechend – 900-Tonnen-Stahlbrücke eingeschwommen
24. Oktober 2023 | Lucia Reinsprecht
Mit dem Ausbau der „Dresdner Bahn“ will die Deutsche Bahn den Eisenbahnknoten Berlin entlasten und kürzere Fahrzeiten in Richtung Dresden sowie zum Flughafen Berlin Brandenburg ermöglichen. Um ein weiteres Etappenziel zu dessen Fertigstellung 2025 zu erreichen, wurde der Felbermayr-Bereich Engineered Solutions mit dem Einschub einer neuen zweigleisigen Stabbogenbrücke im Berliner Stadtteil Tempelhof betraut.
Eineinhalb Jahre Planung
Als im Mai 2022 der Projektauftrag auf dem Tisch lag, war klar, dass hier viel Manpower und viel an Equipment benötigt werden würde. Um den Stahlkoloss über dem 30 Meter breiten Teltowkanal zu positionieren, bestand die Herausforderung einerseits im Verschub des Schwergewichts über die 20 Meter lange Vorlandbrücke, dem Einschwimmen über den Teltowkanal in einer Höhe von 17 Metern und einem Winkel von 42 Grad gemessen zur Achse der Brücke sowie dem Anschluss an das Widerlager, welches noch einmal 25 Meter vom Ufer entfernt liegt. „Dieses Projekt erforderte unser gesamtes Know-how und wurde erst durch eine Kombination aller unserer technischen Disziplinen möglich“, gibt Engineering-Manager von Engineered Solutions, Roel Aarts Einblick in die Projektplanung. Dass der Auftrag für den Verschub der Teltowkanalbrücke ein besonders anspruchsvoller werden würde, zeigte sich auch in der Planungsdauer: Rund eineinhalb Jahre wurde dafür an den Plänen geschmiedet und an den dafür geeigneten Konstruktionen getüftelt. Schlussendlich stand im August der Plan fest und die Vorbereitungen für den Einsatz konnten beginnen.
Anlieferung per Ponton und Lkw
Verschublager, Stufenpressen, Türme, Litzenzieher und SPMT sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Repertoire, das in diesem Fall für das Engineering benötigt wurde. Für die Anlieferung wurde ein Ponton – das später dann zum Einschwimmen der Brücke dienen würde – mit den Geräten am Standort der Engineered Solutions in Krefeld am Rhein beladen. Zusätzlich kamen weitere Lieferungen mit Spezialequipment per Lkw zum Einsatzort. Anschließend wurde auf beiden Seiten des Teltowkanals gleichzeitig mit dem Aufbau der Konstruktionen begonnen. „Insgesamt dauerten die Vorbereitungsmaßnahmen mehrere Wochen“, erzählt Aarts.
15-Meter-Gerüst auf Ponton
Technisch besonders anspruchsvoll war auch der Aufbau des modularen Turmgerüsts von Felbermayr, welches für das Einschwimmen auf dem Ponton eingesetzt wurde: „Da die neue Brücke zwischen zwei bestehenden Brücken eingeschoben werden musste, hatten wir nur wenig Platz für den 230-Tonnen-Mobilkran, der für den Aufbau des rund 15 Meter hohen Gerüsts erforderlich war“, berichtet Aarts. Mit der Unterstützung der Niederlassung in der Region Lausitz konnte aber auch diese Aufgabe mit Bravour gemeistert werden.
Etappe für Etappe
Dank genauester Planungen und dem routinierten Zusammenspiel aller Beteiligten zeigte sich beim anschließenden Verschub der Brücke die Qualität der Maßarbeit. Bis zum Abstapeln auf den Widerlagern sollten rund elfeinhalb Stunden voller Konzentration vergehen: Begonnen wurde zunächst mit dem Transport vom Montageplatz zur Uferkante des Teltowkanals. „Dafür haben wir die Stabbogenbrücke zunächst an ihrer Rückseite durch einen 12-Achs-SPMT ‚geschultert‘. Währenddessen wurden an der Vorderseite die Verschublager sowie zu einem Antrieb umfunktionierte Litzenheber angebracht“, schildert Aarts. Ehe der Stahlkoloss dann sanft und sicher Richtung Ponton geschoben werden konnte, musste aufgrund der Vorlandbrücke und der Störkante noch ein zweites Verschublager eingesetzt werden.
Exakt austariert
In Phase zwei galt es, die Brücke über die Uferkante bis zum Aufsetzen auf die Stützkonstruktion des Pontons zu schieben. „Dabei mussten wir im Speziellen natürlich genau die Maximalbelastung der Hauptträger der Brücke im Auge behalten“, erklärt Aarts den heiklen Vorgang. Nach fünf Stunden sei dies aber sicher und präzise vonstattengegangen und die Brücke erreichte schließlich die auf der Stützkonstruktion befestigten Gleitlager. „Als Nächstes haben wir Wasser aus dem Ponton gepumpt, die Belastung auf das Ponton übertragen. Damit hatte die Brücke die richtige Höhe für den weiteren Verschub“, beschreibt Aarts. Um anschließend den nächsten Hilfsturm am anderen Ufer zu erreichen, wurde die Brücke auf den Gleitlagern noch etwa zehn Meter weitergeschoben. Eine Teflon-Beschichtung und reichlich Schmiermittel gewährleisteten einen „reibungslosen“ Ablauf.
Ponton mit zwei Meter Tiefgang
Was in Phase drei folgte, wurde seit Monaten geplant: Binnen zwei Stunden waren 900 Tonnen Stahl über den Teltowkanal geschwommen. Dafür wurde die Stahlkonstruktion auf den Gleitlagern fixiert und die Stahlseile, mit denen das Ponton vertäut war, losgemacht. Anschließend wurde die Brücke mit dem Ponton zum Südufer geschwommen. Am anderen Ufer angekommen, wurde sie wieder mit Verschublagern aufgenommen und in ihre Endposition verschoben.
Am Ende sei die 67 Meter lange, 12,5 Meter hohe und 12 Meter breite Stabbogenbrücke nur mehr auf vier Kletterpressen gestanden. „Mit den hydraulischen Zylindern konnten wir die Brücke so hochstapeln, um all unsere Geräte wieder abzubauen und die Brücke abschließend wieder zwei Meter abzustapeln und auf ihren Widerlagern abzusetzen“, schildert Aarts den reibungslos verlaufenen Abschluss des neuntägigen Unterfangens.