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Brückenrückbau – Krangigant und Litzenhubsystem im Einsatz

 

19. Mai 2024 | Lucia Reinsprecht

Vom Beginn des Projekts Anfang Februar bis zum spektakulären Nachteinsatz Mitte März versetzte der 1.000-Tonnen-Kran der Felbermayr Transport- und Hebetechnik zahlreiche Zuschauer in Staunen und erweckte auch medial großes Interesse. Um die Stahltragwerke der in die Jahre gekommenen Aurachbrücke zu demontieren, waren der Großkran und ein Litzenhubsystem im Einsatz.

 

Bereits bei der Montage Anfang Februar auf der Autobahn in Fahrtrichtung Wien zückten nicht wenige Schaulustige ihre Smartphones. Anschließend bekam auch die Presse davon Wind: „Auf der Westautobahn bei Regau entsteht Großes“ oder „Stahl-Monster schupft Brücken-Baustelle“ war kurz darauf in regionalen und überregionalen Medien zu lesen. Mit so viel Trubel habe er nicht gerechnet, erzählt der  Projektleiter der Transport- und Hebetechnik, Michael Lehner. Die Aufregung um den „großen Blauen“ könne er aber verstehen: „Wir haben den LR 11000 normalerweise in Windparks oder in der Industrie im Einsatz. Einem derart großen Kran kommt man üblicherweise nicht so nahe“.

Die Dimensionen des „Hauptdarstellers“ sichtbar machte auch dessen Anlieferung und Montage: 50 Lkw-Ladungen sowie ein Rüstkran seien nötig gewesen, um ihn auf „seine Bühne“ zu bringen, erklärt Lehner weiter. Während der viertägigen Montagezeit suchten sich Interessierte sowie Presse die besten Plätze, um die ersten beiden Hübe neben der Autobahn live mitzuerleben.

Drei Stellplätze

Während der rund vierwöchigen Einsatzdauer konnte dieser an drei verschiedenen Stellplätzen in unterschiedlichen Dimensionen bestaunt werden. Denn um die insgesamt 420 Meter langen Stahlträger, die über 60 Jahre über dem Aurachtal thronten, abzutragen, musste der Raupenkran zwei Mal seine Position und Konfiguration ändern. Für den Hub der ersten beiden 70 Meter langen und 120 Tonnen schweren Elemente wurde der 1.000-Tonner mit einem 66 Meter langen Hauptausleger sowie 150 Tonnen Zusatzballast ausgestattet. „An jeder Position gab es durch unterschiedliche Längen und Gewichte der Brückenabschnitte sowie den dortigen Gegebenheiten auch veränderte Anforderungen, die wir mit einer entsprechenden Konfiguration bedient haben“, erläutert Lehner. Zur Vorbereitung des Projekts zählte somit nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch ein erheblicher logistischer Aufwand. So mussten im Vorfeld Routengenehmigungen für die Sondertransporte über die Autobahn eingeholt sowie die Stellplätze auf der Autobahn und im Tal mit beengten Platzverhältnissen vorbereitet werden. Jeweils vier bis fünf Tage dauerte es, ehe der Krankoloss mit einem Eigengewicht von bis zu 1.500 Tonnen auf der nächsten Position wieder hubbereit gewesen war.

Für den zweiten Einsatz im Tal, unterhalb der Aurachbrücke, rüstete das Felbermayr-Team den Hauptausleger auf 114 Meter Länge auf. Vier Meter hohe und 70 Meter lange Brückenteile mit einem Gewicht von 170 Tonnen galt es hier sicher und präzise zwischen den Turmdrehkranen von der ehemaligen Autobahn abzusenken. „Um die dafür erforderliche Drehung zwischen Wald, Gebäuden und Kranen zu meistern, mussten wir den Kran während des Hubs mehrmals neu ballastieren“, beschreibt der für die Koordination des Krans zuständige Supervisor Jan Kürner.

„Engineered Solutions“  bringt Litzenheber in Stellung

Man mag es kaum glauben, aber auch der LR 11000 hat seine Grenzen. Etwa dann, wenn sich ein Gebirgsfluss durch den Einsatzort zieht. Dass auch auf solche Anforderungen reagiert werden kann, sei das Besondere an der Felbermayr-Gruppe, lässt Michael Lehner wissen: „Innerhalb der Unternehmensgruppe arbeiten wir eng zusammen und können somit auf ein breites Spektrum an Know-how zurückgreifen.“ Die Lösung war ein Anruf bei den Spezialisten des Felbermayr-Bereichs Engineered Solutions in Krefeld. Ihr Spezialgebiet: Innovative Lösungen für die Schwergutbranche. Und auch hier zeigten sie wieder Ingenieurskunst auf – nicht nur sprichwörtlich – höchstem Niveau: Um die beiden betroffenen Brückenabschnitte mit jeweils 180 Tonnen und 65 Metern Länge abzusenken, installierten diese eine eigens für diesen Einsatz angefertigte Konstruktion: Auf vier Trägern je Seite wurden insgesamt vier Litzenheber mit einem Eigengewicht von jeweils einer Tonne und zwei Metern Höhe aufgebaut. Die Zugkapazität betrug insgesamt 400 Tonnen. „Die Planungszeit für dieses Projekt belief sich auf etwa drei Monate“, datiert Projektleiter der Engineered Solutions, Martin van der Pluijm und führt weiter aus: „Um die Konstruktion für den großen Showdown zu testen, haben wir den Vorgang in unserer Halle mit zwei 420-Tonnen-Pressen vorab simuliert“.

Ob die Eigenanfertigung auch unter den schwierigen Bedingungen am Einsatzort funktionieren würde, stellte sich Ende Februar heraus. „Für die Montage in dieser Höhe mussten wir in Arbeitskörben hochgefahren werden. Auf der Brücke war zudem gerade einmal Platz für ein Gerüst von zwölf Quadratmetern“, erläutert van der Pluijm die Herausforderung bei der Montage vor Ort und setzt fort: „Zunächst haben wir die Trägerkonstruktion gebaut und die Litzenheber mit den hängenden Litzen darauf montiert. Dadurch konnten wir mit den Trägern unter das Brückenteil, um dieses in unsere Litzenheber einzuspannen“. Um dafür zu sorgen, dass die Konstruktion nicht nach vorne kippt, wurden auf der Hinterseite zudem Ketten zum Abspannen montiert. Für den anschließenden vierstündigen Absenkvorgang seien die Brückenteile diagonal – nach oben verjüngend – abgetrennt worden, damit diese nicht stecken bleiben.

Showdown im Nachteinsatz

Zum Abschluss des Projekts kam es zu einem spektakulären Nachteinsatz. An der dritten und letzten Station erwartete das Team der Felbermayr Transport- und Hebetechnik die größte Herausforderung: Der unter dem letzten Feld verlaufende Bahnverkehr durfte nicht gefährdet werden. Deshalb belief sich das Zeitfenster für den Einsatz auf exakt vier Stunden. Von 23 Uhr bis 4 Uhr früh musste somit jeder Handgriff sitzen. Galt es doch, die beiden schwersten Teile mit jeweils 240 Tonnen und 72 Metern Länge behutsam aus ihren Widerlagern zu heben und auf der Autobahn wieder abzusetzen. „Dafür haben wir jeweils am Vormittag mit dem Anschlagen begonnen“, schildert Kürner. Exakt eine Stunde vor Mitternacht wurde dann der Hebevorgang gestartet. Dafür machte der Raupenkran mit seinem 78 Meter langen Hauptausleger samt Brücke am Haken eine 180-Grad-Drehung.

Samstagfrüh, als der letzte Stahlträger sicher am ehemaligen Pannenstreifen abgesetzt wurde, war es dann geschafft. Michael Lehner zeigt sich zufrieden: „Jeder Hub hat letztendlich gut funktioniert. Die laufende Abstimmung mit dem Kunden klappte auf allen Ebenen hervorragend – ein fordernder, aber schöner Einsatz vor der Haustür sozusagen“.                 

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