Kolossal: Engineered Solutions positioniert Europas größte Hub-Drehbrücke
17. Februar 2025 | Lucia Reinsprecht
Lange hat die Region an der Grenze zu den Niederlanden auf diesen Moment gewartet: Nachdem die alte Friesenbrücke im Dezember 2015 von einem Frachter irreparabel beschädigt wurde, mussten Reisende auf Busse und Schienenersatzverkehr ausweichen. Bis jetzt: Denn dank präziser Planung, dem effizienten Einsatz von Schwerlastequipment und einer engen Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden und der Deutschen Bahn, konnte die neue Brücke bereits vor dem geplanten Projektende erfolgreich übergeben werden.
Brückentransport in Abschnitten
Doch von Beginn: Um die Brücke für den Schiffs- und Landverkehr gleichermaßen passierbar zu machen, wurde eine Hub-Dreh-Konstruktion geplant. Diese besteht aus zwei Vorlandbrücken sowie einem beweglichen mittleren Teil. Herzstück der Brücke ist ein Drehpfeiler mit den maschinentechnischen Anlagen im Flussbett, auf dem der 145 Meter lange mittlere Brückenteil lagert. Im Juni startete das Team der Engineered Solutions mit dem ersten 120 Meter langen und 1.250 Tonnen schweren Brückenabschnitt. „Dieser bestand aus vierzehn Meter breiten und dreißig Meter langen Einzelteilen, die wir jeweils zunächst am Montageplatz auf zwei Achtachsige-SPMTs verladen und anschließend zum Kai transportiert haben“, beschreibt der Projektverantwortliche der Engineered Solutions, Roel Aarts, die ersten Schritte. Für den rund sieben Kilometer langen Transport vom Montageplatz in Papenburg über die Ems hin zum finalen Standort wurden die Brückenteile jeweils einzeln auf einen Schwimmkran geladen. „Am Einbauort wurden diese dann jeweils auf einen doppelten zehnachsigen-SPMT geladen, sicher verzurrt und anschießend zu den Fundamenten gefahren“, so Aarts. Dort erfolgte das millimetergenaue Absetzen auf die Widerlager. Nach dem Abstellen und Ausrichten der vier Brückenteile wurden diese verschweißt.
Zahlreiche Planungen
Das zweite 75 Meter lange Brückenteil verlangte eine noch präzisere Abstimmung. Nach der Vormontage wurde der Brückenkoloss zunächst auf einen 36-achsigen SPMT verladen. Ehe das 700 Tonnen Schwergewicht für den Weitertransport über die Ems auf ein Ponton gefahren werden konnte, musste jedoch ein weiterer Punkt in die Planung mitaufgenommen werden: Um den Koloss sicher zwischen den Gebäuden am Hafen zum Kai zu manövrieren, musste eine Halle abgerissen werden.
Mit Hochwasser abgesetzt
Doch nicht nur der Transport an Land erforderte Monate an präziser Vorausplanung – für den Transport auf der Ems war durch das Team der Engineered Solutions auch die Tide des Flusses miteinzuberechnen: „Zunächst haben wir das Ponton samt SPMT und Brücke hinter den Leitwerksdalben positioniert. Am Tag des Einschwimmens haben wir die Brücke um 90 Grad auf dem Ponton gedreht“, erklärt Aarts den höchst anspruchsvollen Vorgang. Um genügend Höhe für das Einschwimmen zu erreichen, musste das Hochwasser der Ems abgewartet werden. Dabei blieb dem Team ein Zeitfenster von exakt einer Stunde, um die Brücke über dem Fundament entlang des vertikalen Trägers auszurichten. Durch den natürlich sinkenden Wasserpegel konnte der zweite Abschnitt der Friesenbrücke auf die bereits installierten Stufenpresse übernommen und auf die vorbereiteten Lager erfolgte abgesenkt werden.
Ems aufgestaut
Höhepunkt des Projekts war die Positionierung der 1.800 Tonnen schweren Drehbrücke. Diese wurde zunächst rund vier Meter hochgestapelt, um jeweils die beiden Enden mit zwei SPMTs mit jeweils 36 Achsen zu „schultern“. Für die Endpositionierung wurde das 145 Meter lange Herzstück der Friesenbrücke im Anschluss auf zwei Pontons gerollt. Ehe es jedoch zum Einschwimmen des beweglichen Herzstücks der Brücke kam, verzögerten widrige Wetterbedingungen den spektakulären Showdown für das prestigeträchtige Projekt: „Während einer kritischen Phase hatten wir Windgeschwindigkeiten von bis zu 22 Metern pro Sekunde“, schildert Aarts und erklärt: „Unter diesen Bedingungen hätte das beladene Ponton eine Querneigung von 5 Grad erreicht, weshalb wir die Brücke vorerst auf den SPMTs beließen. Normalerweise schwankt der Wasserstand der Ems um drei Meter zwischen Hoch- und Niedrigwasser, mit Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 2,5 Metern pro Sekunde – zu viel für den Einschwimmvorgang, bei dem die 1.800 Tonnen schwere Brücke millimetergenau positioniert werden muss. Daher wurde für die Endplatzierung eine Sonderstauung der Ems beantragt, die ein stabiles Wasserlevel über 24 Stunden ermöglichte.
Die finale Drehung der Brücke, die mit den Antrieben der SPMTs ausgeführt wurde, erfordert neben der Aufstauung der Ems außerdem eine Sperre der Schifffahrt. „Monatelange Planung war notwendig, um sicherzustellen, dass alles reibungslos abläuft“, blickt Aarts zurück. Doch die harte Arbeit sollte sich lohnen: Der Auftrag konnte zwei Wochen vor Weihnachten und damit noch vor Jahresende erfolgreich abgeschlossen werden. „Da freut man sich natürlich riesig, wenn Auftraggeber, Politik sowie die lokale Bevölkerung begeistert sind“, resümiert Aarts stolz über die erbrachte Leistung seiner Mannschaft.
Meilenstein für Infrastruktur
Der Abschluss des Projekts markierte einen wichtigen Meilenstein für die „Wunderline“. Die neue, rund 173 Kilometer lange Bahnverbindung – zwischen dem niederländischen Groningen und Bremen in Norddeutschland – wird künftig die beiden Handelszentren noch enger zusammenwachsen lassen.